BLANK

Temporäre Intervention, schwarze Klebefolie, KUBUS EXPORT, Wien, 2005

(mit Norbert Pfaffenbichler)   An den Innenseiten des gläsernen “Kubus EXPORT” applizierten wir einen codierten Text von Marc Ries, der als Grundlage für diese Arbeit geschrieben wurde und der gleichzeitig diese Arbeit beschreibt. Dieser geometrische Code wird zum raumstrukturierenden Element. Von Aussen erschien der “Transparente Raum” nun als schwarzer Spiegel, von Innen als immaterielle Lichtarchitektur. Der zugrundeliegende Text konnte von den Besuchern vom vollflächig, mit A4 Blättern bedeckten Boden des Kubus entnommen werden. Fotos u.a.: © Lisa Rastl

Dieser Text hat 2892 Zeichen inkl. Leerzeichen. Mehr will er auch nicht sein. Der Zeichenwert folgt der einheitlichen Rastersegmentierung der fünf Flächen (Decke, Stirnwände, Seitenwände) eines transparenten Baukörpers. Ein einzelnes schwarzes Rastersegment entspricht dabei einem Schriftzeichen (Buchstabe, Sonderzeichen). Die Leerzeichen hingegen implizieren ein leeres, transparentes Segment. Dieses applizierte Raster verleiht dem Glasbau eine zusätzliche Struktur. Eine binome Struktur aus einer Vielzahl schwarzer Rechtecke und einer kleinen Zahl weisser Rechtecke. Mit dieser „Übersetzung“ des Textes, seiner Zeichen und Leerstellen, in zwei nicht-bedeutungstragende Einheiten, schwarz/weiss, voll/leer, opak/transparent, wird eine Ordnung erzeugt, die universell ist, jedoch nicht mehr verstehbar. Sie folgt physischen Quantitäten, keinen psychischen Entitäten. Vom semantischen Sinn zum ordinalen Sinn. In dieser seiner techno-ästhetischen Reduktion auf die Wände und die Decke des Glaskubus wird der Text niemals lesbar sein. Also kann seine Existenz durchaus bestritten werden? Es ist nicht der Text als solcher lesbar, die zweiwertige Ordnung hat er jedoch als „Information“ miterschaffen. Mit Norbert Wiener gesagt, vermittelt das Raster eine geringe Unsicherheit bei guter Kenntnis der Situation und also viel Information. Es ist die Überführung des Textes von einer Logik der Semantik zu einer Logik des Sehens, des „strukturalen Sehens“, gemäss dem Diktum, dass der „Platz Vorrang vor dem hat, was ihn einnimmt“. Der extensionale Raum weicht einem strikt topologischen Raum. Der Sinn wird Resultat einer Position, einer Optik. Dieser Raum findet sich zuallererst in der Kartographie. Nolli hatte Rom als zweiwertige Schwarz/Weiss-Ordnung auf seinem Plan abstrahiert: Alle Privat- und Arbeitsräume waren als schwarze Flächen eingezeichnet, öffentliche Räume und Verkehrsräume als weisse Flächen. Dieses „Weiss“ ist tatsächlich als Leerstelle oder offene öffentliche Stelle zu denken. Sie ermöglicht den Tausch, die Kontrolle, die Kontingenz. Auch die durchsichtigen Leerstellen im Glaskubus vermitteln zwischen Aussen und Innen, erwirken den Austausch und schaffen allererst im Inneren eine singuläre, variable Lichtgestalt. Die Leerstelle zwischen den Worten, sie wird als das Differential erkennbar. In Sätzen verleiht sie den Wortklumpen als zeichensetzendes Intervall ihre Bedeutung, im Kubus macht sie auf die notwendige Strukturierung/Gestaltung unserer Sicht auf Wirklichkeit aufmerksam. Die Leerstellen signalisieren Sinn, zeigen ihn aber nicht, machen ihn nicht lesbar, so wie ein Fenster eine Aussicht ja auch bloss verspricht. Es ist zu vermuten, dass der Betrachter (nicht der Leser) eine Ahnung empfängt von der dem Raster unterlegten „Kommunikation“. Also ist es ein gestimmter Raum, dem wir begegnen, Stimmung erzeugt von Stimmen aus der „Tiefe“ eines Denkens. (Marc Ries)